Betriebskosten und Wohnungseigentum
Verlassenschaftsverfahren: Ablauf & Sonderfälle
28.06.2021
Verlassenschaftsverfahren: Ablauf & Sonderfälle
Nach dem Ableben eines Verwandten beginnt für die Angehörigen die Trauerphase. Viele Menschen fühlen sich überfordert, wenn sie sich auch um die Verlassenschaft kümmern sollen. Es lohnt daher, sich rechtzeitig über die Abläufe des Verlassenschaftsverfahrens zu informieren.
Das Verlassenschaftsverfahren wird eingeleitet
Nach einem Todesfall wird vom zuständigen Bezirksgericht ein Verlassenschaftsverfahren eingeleitet, mit dem Ziel, die Verlassenschaft den rechtmäßigen Erben zu übergeben. Abgewickelt wird das Verlassenschaftsverfahren von einem Notar, der vom Gericht beauftragt wird – dem Gerichtskommissär. Dieser muss unparteiisch agieren und ist allen Erbberechtigten gleichermaßen verpflichtet. Einigen sich die Erben auf einen eigenen Anwalt oder Notar, kann auch dieser als sogenannter „Erbenmachthaber“ eingesetzt werden. Im Gegensatz zum Gerichtskommissär darf dieser im Verfahren die Interessen der Erben vertreten und muss nicht neutral sein. Der Gerichtskommissär oder der Anwalt haben die Aufgabe, die Erbberechtigten und ein mögliches Testament ausfindig zu machen, sowie die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Verstorbenen festzustellen. Zum Vermögen gehören neben den beweglichen und unbeweglichen Besitztümern auch Rechte und Verpflichtungen, die der Erblasser zu Lebzeiten eingegangen ist. Im Fall von Immobilien können das zum Beispiel Pfandrechte von Banken sein, die im Grundbuch eingetragen wurden. Es gibt keine Fristen für die Dauer eines Verlassenschaftsverfahrens. Normalerweise endet das Verfahren mit dem sogenannten Einantwortungsbeschluss, in dem jeder Erbe das ihm zustehende Vermögen sowie die dazugehörigen Rechte und Pflichten übernimmt. Ist eine Verlassenschaft sehr gering oder besteht sie nur aus Schulden, wird das Verfahren früher beendet.
Erben von Immobilien
Beim Erben von Immobilien gibt es verschiedene Szenarien, die unterschiedlich abgehandelt werden.
Alleineigentümer vererbt eine Immobilie
Verstirbt der Alleineigentümer einer Immobilie und es liegt kein Testament vor, dann gilt die gesetzliche Erbfolge: Kinder erben zwei Drittel, Ehepartner oder eingetragene Partner ein Drittel. Der (Ehe-) Partner, der mit dem Erblasser gemeinsam in dieser Immobilie gelebt hat, darf bis zum Lebensende in der Eigentumswohnung oder dem Einfamilienhaus wohnen (Vorausvermächtnis). Anders sieht es bei unverheirateten Paaren aus. Nur wenn es weder ein Testament, noch gesetzliche Erben gibt, und beide mehr als drei Jahre in einem gemeinsamen Haushalt gewohnt haben, erbt der Partner die Immobilie. Trifft das nicht zu, dann darf der Lebenspartner noch maximal ein Jahr in der Immobilie wohnhaft bleiben. Will ein Erblasser, dass der Partner nach seinem Tod für immer in der Immobilie bleiben darf, so muss er dies explizit im Testament vermerken.
Sonderfall Eigentümerpartnerschaft
Bei einer Eigentumswohnung gibt es die Möglichkeit, dass zwei Personen gemeinsam Eigentümer einer Wohnung sind – unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder nicht. Im Todesfall geht der Anteil des Verstorbenen in den Besitz des anderen über. Gibt es noch weitere Erben, so muss als Ausgleich ein sogenannter Übernahmepreis in die Verlassenschaft einbezahlt werden.
Gemeinsames Erben einer Immobilie
Haben mehrere Personen eine Immobilie geerbt, kann jeder über seinen Teil frei verfügen. Schwierig wird es allerdings dann, wenn eine Immobilie nicht einfach zu teilen ist und die Erben ganz unterschiedliche Vorstellungen über deren Nutzung haben. Ein Erbe möchte verkaufen, ein anderer vermieten und ein dritter möchte selbst darin wohnen. Kommt es zu keiner Einigung, kann jeder Erbe eine Teilungsklage einreichen, damit das Gericht eine Aufteilung der Immobilie festsetzt. Unter Umständen kann das Verlassenschaftsgericht sogar eine öffentliche Versteigerung anordnen. Um sich Kosten und langwierige Auseinandersetzungen zu ersparen, wäre es förderlicher, wenn die Erben die Immobilie noch aus der Verlassenschaft heraus verkaufen und den Erlös teilen.
Immobilien aus der Verlassenschaft heraus verkaufen
Soll eine Immobilie noch vor der Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens verkauft werden, hat dies für die Erben steuerliche Vorteile. Da der Verkauf vor der Einantwortung stattgefunden hat, fällt für die Erben nämlich keine Grunderwerbsteuer und ebenfalls keine Gebühr für die Eintragung ins Grundbuch an. Allerdings wird die Immobilienertragssteuer beim Verkauf fällig.
Immobilien im Ausland erben
Seit 2015 regelt die europäische Erbrechtsverordnung das Erben von Immobilien innerhalb der EU (Ausnahmen sind Dänemark und Irland). Darin ist festgehalten, dass das Erbrecht jenes Landes gilt, in dem der Erblasser seinen Hauptwohnsitz oder Lebensmittelpunkt hatte (Aufenthaltsprinzip). Hat der Verstorbene beispielsweise in Italien gelebt, gilt das italienische Erbrecht. Der Erblasser kann jedoch im Testament festhalten, dass das Erbrecht seines Heimatlandes zuständig sein soll (Erbrechtswahl). Diese Entscheidung ist bindend und hebt das Aufenthaltsprinzip auf.
Da es in vielen EU-Staaten eine Erbschaftssteuer gibt oder die Pflichtteilsansprüche anders als in Österreich geregelt sind, sollte sich der Erblasser bei der Erstellung des Testaments unbedingt von einem Anwalt für Erbrecht beraten lassen. Außerhalb der EU gelten allerdings immer die erbrechtlichen Bedingungen des jeweiligen Landes.
Und wenn es zu Erbstreitigkeiten kommt?
Leider verlaufen nicht alle Verlassenschaftsverfahren reibungslos. In jedem vierten Verfahren kommt es demnach zu Erbstreitigkeiten, da das Testament ohne anwaltliche Hilfe aufgesetzt wurde und nicht dem Gesetz entspricht, oder die Erben den letzten Willen unterschiedlich auslegen. Entweder kommt es dann zu einem Vergleich zwischen den Erben oder es endet im schlimmsten Fall vor Gericht. In strittigen Fällen sollten sich Erblasser unbedingt von einem Anwalt für Erbrecht beraten lassen.
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